Jahrgang
Farbtuben (ungefähr)
Leinwand
Auftragsprojekte
Die Fische auf den Bildern von Max Grimm werden manchmal zu Anglern, fangen den Mond mit ihrer langen, roten Zunge oder schauen sich neugierig in Wohnungen um. Meist sind sie allein, ohne darüber in Melancholie zu versinken. Dafür gibt es für sie viel zu viel zu sehen.
Oft scheint es, als würden die Bilder Geschichten erzählen, wenn die Figuren die Köpfe zusammenstecken, mit großen Augen auf die Betrachter blicken oder sie verträumt schließen und man ihre Gedanken an den Details in ihrem Umfeld erraten könnte. Durch das Collagieren, die Zerteilung des Bildraums, finden die Augen jedoch immer wieder andere Punkte, die die Aufmerksamkeit fesseln. Mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit werden, wie im Kaleidoskop, die Bildelemente neu gemischt. Diese vielschichtige, fantasievolle Struktur ist außerordentlich anregend.
Vor einigen Jahren tauchten exotische Vögel in den Arbeiten Max Grimms auf. Anlass für ihr Erscheinen bildeten Reisen nach Südafrika und Brasilien. Schon sehr viel länger begegnet man den „Flaschengeistern“. Ähnlich Aladins Wunderlampe entströmen ihnen Pflanzen, Gesichter oder ornamentale Muster, die sich zu komplexen Bildern formen. Sie erinnern und zitieren jedoch ebenso Andy Warhols 32 Suppendosen. Waren sie 1962 auf den Siebdrucken verschlossen, hat ihnen Max Grimm sozusagen die Deckel geöffnet. So können sie die Blätter und Leinwände in ein farbiges Mosaik verwandeln, dessen Variationsmöglichkeiten unendlich zu sein scheinen. Der stilistische Raum reicht dabei von der Pop Art über Comic bis hin zum Surrealen.
Vor zwei Jahren, 2016, wuchs der erste „Märchenwald“ auf der Leinwand des Künstlers. Wie in vielen anderen Bildern, kann man sich auch hier bei der Betrachtung verlieren. Die Augen flanieren zwischen den Stämmen, springen von Baumkrone zu Baumkrone und finden immer neue Plätze zur anregenden Betrachtung oder zum Verweilen. Es sind also echte Märchenwälder voller verborgender Geschichten, die nur noch auf ihre schriftliche Illustration zu warten scheinen.
Der Einduck ist sicher nicht falsch, dass die Graffiti der Streetart die Grafik und Malerei infiltriert haben. Oder ist es der Rhythmus des Sampling, das kurze Anspielen visueller Zeichen, die sich zu vielschichtigen Kompositionen verbinden? Die sich schwungvoll nach links und rechts neigenden Häuser tanzen vermutlich zu diesen verborgenen Melodien.
Vielleicht ist es die Mixtur aus Alltäglichem und Ungewöhnlichem, die den besonderen Reiz der Arbeiten Max Grimms ausmacht. Ihr Detailreichtum lockt die Fantasie aus ihrem Versteck. Man begibt sich in die Bildräume, die nicht nur durch ihren Detailreichtum bestechen, sondern auch durch ihre nuancenreiche Behandlung der Farbskala. Vor allem die Siebdrucke, die den größten Teil im Werk Max Grimms ausmachen, sind hier zu nennen. Ihre visuelle Brillanz erreichen sie mitunter erst durch das Übereinanderdrucken mehrerer Farben.
Den Arbeiten des 1986 geborenen Künstlers begegnet man nicht nur in seinem Atelier, sondern ebenso mitten in der Stadt, wie am Eiskellerplatz in Magdeburg-Sudenburg, in der Wiener- und der Schönebecker Straße, wo sich sein größtes Bild über mehrere Eingänge
eines Wohnhauses erstreckt. Man kann mit Max Grimm auch den Tag beginnen, mit einem Morgenkaffee aus einer von ihm gestalteten Tasse und dem Blick auf den sechs orginale Siebdrucke umfassenden Kalender, der seit vielen Jahren regelmäßig erscheint. In Braunschweig wird ein von ihm gestalteter Karnevalsorden verliehen, während Le Havre, Magdeburg´s französische Partnerstadt, eines seiner Gemälde als Geschenk überreicht wurde. So leben die Figuren wie die (blonde) Königin, der Zylindermann und die Flaschengeister an vielen Orten. Die Wahrscheinlichkeit ist somit ziemlich hoch, (einem) Max Grimm zu begegnen und sei es nur bei einem flüchtigen Blick aus dem Fenster in Bus, Bahn oder Auto.
Text: Dr. Uwe Förster, Kunstmuseum Kloster unser lieben Frauen Magdeburg